Forum "Versorgungsausgleich" 2019 –
10 Jahre Strukturreform

Vor zehn Jahren trat das neue Versorgungsausgleichsgesetz in Kraft – aus diesem Anlass veranstaltete die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im DAV am 8. November 2019 gemeinsam mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und dem Darmstädter Kreis das "Forum Versorgungsausgleich" und stellte die Frage: Ist der Gedanke der "Halbteilung" mit der internen und externen Teilung erfolgreich umgesetzt worden?

Begrüßung durch Ruth Schröder, Leiterin der Abteilung Bürgerliches Recht im BMJV…
…und RAin Eva Becker, Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht

Nach der Scheidung werden die Anrechte, die in der Ehezeit erworben wurden, jeweils zur Hälfte zwischen den ehemaligen Ehegatten geteilt. Nach altem Recht, das seit 1977 galt, war der Ausgleich sehr schwierig. Die komplizierten Berechnungen waren für die Betroffenen nicht nachvollziehbar. Um Ausgleichsreste, die entstanden, wurde oft jahrelang gestritten. Denn es geht für die betroffenen ehemaligen Ehegatten um viel Geld und für manche sogar um die Existenz. Die so genannte Barwertverordnung, eine Grundlage für die Berechnung der Rentenanteile, sei nicht verfassungsgemäß, stellte schließlich das Bundesverfassungsgericht fest und gab damit den Anstoß zur Reform.

Ein übersichtliches Gesetz für eine komplizierte Materie

Der Kernansatz der Reform von 2009 ist, dass alle wechselseitigen Versorgungsanrechte grundsätzlich einzeln zu teilen sind und deshalb nicht mehr vergleichbar gemacht werden müssen. Bereits bei der Scheidung sollen die Anrechte vollständig ausgeglichen werden können. Es sollte ein übersichtliches Gesetz mit klarer und verständlicher Sprache sein. Es sollte also alles einfacher werden und das scheint weitgehend gelungen zu sein, darin waren sich die Fachleute einig, die im Bundesjustizministerium das Gesetz aus verschiedenen Perspektiven beleuchteten. Die Materie ist vor allem deswegen so kompliziert, weil verschiedene Einzelsysteme im Versorgungsausgleich zusammenkommen: aus dem Familienrecht, aus der Alterssicherung, aus der Versicherungsmathematik, aus dem Steuer- und Bilanzrecht. Vor der Reform gab es grundlegende strukturelle Probleme, auch weil die betriebliche und die private Versorgung neben der gesetzlichen Rente an Bedeutung zunahm. Bei der Berechnung des Ausgleichs kam es zu Fehlern und Wertverzerrungen, weil Versorgungen unterschiedlichster Art auf der Grundlage von Prognosen vergleichbar gemacht werden mussten. Daran erinnerte Rechtsanwalt Klaus Weil, der als Mitglied des geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht und Mitgesellschafter des Darmstädter Kreises federführend organisiert hatte und leitete, in seiner Moderation.

Einer der Hauptakteure der Strukturreform war Matthias Schmid, vor zehn Jahren noch Referatsleiter im Bundesjustizministerium. Sein Rückblick machte deutlich, wie schwer es war, sich in die Materie einzuarbeiten und dass es nicht reichte, sich auf das juristische Knowhow zu beschränken. So holte er sich einen Versicherungsmathematiker ins Haus, nachdem er selbst einen Grundkurs in dem Fach absolviert hatte. Ein erster Entwurf wurde auf dem Familiengerichtstag in Brühl vorgestellt. Während des ganzen Gesetzgebungsverfahrens war man im Diskurs mit den verschiedenen Professionen, mit Richtern, Familienanwälten und mit dem Darmstädter Kreis. Das Gesetz trat am 1. September 2009 in Kraft und erhielt zwei Jahre später den "Preis für gute Gesetzgebung" – wegen der Sprache und der Methodik – wie Schmid nicht ohne Stolz erwähnte.

Bewährungsprobe in der Praxis

Aber auch in der Praxis hat sich die Reform des Versorgungsausgleichs bewährt, so sieht es die jetzige Leiterin des Referats Versorgungsausgleichsrecht im BMJV Daniela Pferr. Der Anfang sei jedoch für alle Beteiligten schwierig gewesen. Sie mussten sich mit neuen Regeln vertraut machen, Hilfsmittel, Formulare und Beratungsunterlagen anpassen. Die Versorgungträger mussten Rechtsgrundlagen schaffen für externe und interne Teilung. Sie mussten neue Berechnungsprogramme entwickeln, um die Auskünfte erteilen zu können. Die Justizverwaltungen der Länder mussten Auskunfts- und Fragebögen entwerfen. Die Versorgungsausgleichskasse war als neuer Versorgungsträger zu implementieren. Die ersten Gerichtsentscheidungen ergingen und die Einzelfragen wurden obergerichtlich geklärt. Jetzt – zehn Jahre nach der Reform – hält Daniela Pferr eine Evaluation für dringend notwendig. Änderungen sollten nur aufgrund von empirischen Daten erfolgen, nicht aus Bauchgefühlen. Auf der Tagung wurde der Versorgungsausgleich auch aus der Sicht der Gerichte, verschiedener Versorgungseinrichtungen und der Versicherungswirtschaft unter die Lupe genommen.

Für den erkrankten Richter am Bundesgerichtshof Claudio Nedden-Böger war Elke Bührer kurzfristig eingesprungen, sie ist stellvertretende Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Oldenburg. Aus ihrer Zeit als Familienrichterin am Amtsgericht berichtete sie, dass nach Inkrafttreten der Strukturreform das Verfahren als Masseverfahren gut durchgeführt werden konnte, nur in wenigen Fällen seien vertiefte Kenntnisse im Versorgungsausgleichsrecht notwendig gewesen. Auch beim Oberlandesgericht seien viele Verfahren einfach zu lösen. Trotzdem bleibe die Altersversorgung eine komplexe Materie, in der verschiedene Lebenswelten zusammentreffen. Es sei dringend notwendig, dass die verschiedenen Professionen gut miteinander kommunizieren, um auch in schwierigen Prozessen zu guten Lösungen zu kommen. Bührer hält Fortbildungen zum Versorgungsausgleich für die Familienrichter für notwendig. Sie müssten sensibilisiert werden, um zu erkennen, wann ein Problemfall vorliegt, der vom Standardfall abweicht. Zudem sollten die Gerichte mit ausreichendem Personal ausgestattet werden, um die notwendige Zeit zu haben, Rubren zu kontrollieren, Rechenwege so weit wie möglich nachzuvollziehen und Teilungsordnungen zu lesen.

Kritik und Verbesserungsvorschläge

Aus der Deutschen Rentenversicherung konnte Edda Bachmann ebenfalls positive Erfahrungen mitteilen. Die interne Teilung sei leichter geworden, es würden nicht mehr monatliche Rentenanwartschaften geteilt, sondern Punkte. Es gebe zwar diverse Neukunden, weil jetzt auch Beamte Anrechte über den Versorgungsausgleich erwerben. Die haben aber bereits eine Versicherungsnummer, insofern bedeute das keinen zusätzlichen Aufwand durch die Einrichtung zusätzlicher Versicherungskonten. Bachmanns Fazit: „Auch wenn es im Detail noch Optimierungspotenzial gibt, löst das Gesetz die wesentlichen Probleme des derzeitigen Versorgungsausgleichs insgesamt recht angemessen. Er wird den Interessen der Beteiligten durchaus gerecht.“

Für die berufsständischen Versorgungsträger sah Winrich Kuhberg von der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte in der Strukturreform einen erheblichen Fortschritt gegenüber der alten Regelung darin, dass sich durch die konsequente Halbteilung die Zahl der Streitfälle enorm reduziert habe. Die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung war durch Sabine Drochner und Dr. Andreas Hufer vertreten; sie betonten, dass der Kostenaufwand für die betriebliche Altersversorgung besonders hoch sei, weil es erheblich mehr Gestaltungsmöglichkeiten als bei der gesetzlichen Rente gebe. Zwischen den drei Interessengruppen – "Ausgleichspflichtige", "Ausgleichsberechtigte" und "Versorgungsträger" – müssten bei der Umlegung der Kosten Kompromisse ausgehandelt werden. Hufer stellte bei der betrieblichen Altersversorung einen Strukturwandel fest, es gebe viel mehr Arbeitsteilung und Auslagerung zu externen Dienstleistern einschließlich Dienstleisterwechsel. Darauf müsse reagiert werden. Insgesamt war sein Resümee der letzten zehn Jahre verhalten positiv, ähnlich wie das Fazit von Dr. Markus Raulf vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft: "Im Großen und Ganzen funktioniert das neue Versorgungsausgleichsrecht, es wird auch von den Beteiligten als gerechter empfunden." Die Kostenneutralität sah er jedoch bei weitem nicht erfüllt. Das Ganze sei Expertenrecht und entsprechend kompliziert. Die Umsetzung in den Versicherungsunternehmen erfordere einen erheblichen Aufwand mit hohen Kosten.

Dr. Andreas Hufer
Sabine Drochner
Dr. Markus Raulf
Jörn Hauß

Kritische Worte – allerdings in anderem Zusammenhang – kamen auch von Rechtsanwalt Jörn Hauß: Die Auskünfte der betrieblichen und privaten Altersversorgungen zu kontrollieren, sei kaum möglich, aber wichtig. Denn immer wieder habe es Falschauskünfte gegeben, wie er in seiner Praxis schon mehrfach festgestellt habe. Hier müsste noch viel mehr Transparenz hergestellt werden. Um wirkliche Halbteilungsgerechtigkeit zu erreichen, müsse der Versorgungsausgleich auch an einigen anderen Stellen verbessert werden, sagte Hauß: "Dazu braucht man politische Anstrengung, und dazu braucht man sicherlich auch die Aufmerksamkeit der Praxis auf die Probleme."

Genau das hatten sich die Veranstalter des Forums Versorgungsausgleich vorgenommen: Nach dem Rückblick auf die Entstehungsgeschichte vor allem die Praktiker und Praktikerinnen zu fragen, wo sie Verbesserungsmöglichkeiten sehen. Das Fazit von Rechtsanwalt Klaus Weil von der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im DAV und vom Darmstädter Kreis, der die Veranstaltung im Bundesjustizministerium moderierte: "Wir haben es geschafft, an einem Tag einen Aufriss sämtlicher Problematiken der einzelnen Versorgungssysteme darzustellen." Das war eine adäquate Geburtstagsfeier für ein bemerkenswertes Jubiläum: Zehn Jahre Strukturreform des Versorgungsausgleichs.

Annette Wilmes